Meine Autos: Viel gefahren und viel geschraubt
Es war noch die Zeit vor dem Mauerbau (1), als Klaus-Dieter C., 1935 geboren, aus der ehemaligen DDR nach Westberlin geflohen war und sich nach und nach in Düsseldorf Existenz und Familie aufbaute. Und dazu gehörte – wie bei so vielen Menschen und besonders bei Männern – der Wunsch, ein eigenes Auto zu haben. Er beschreibt das so …
Mein erstes Auto oder: „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“
Etwas „auf Pump“ zu kaufen, war eigentlich nie mein Ding. Was ich mir nicht leisten konnte, habe ich mir eben nicht geleistet. So einfach war das. Ich habe auch mein erstes Auto cash bezahlt. Dabei gab es allerdings eine Einschränkung: Das Auto kostete mit Prozenten geschlagene 999 Deutsche Mark, obwohl es ein Firmenwagen war.
Das Geschäft, wo dieses Auto als Firmenwagen stand, hieß "Lehmann" und war ein ganz bekannter riesengroßer Laden in Düsseldorf, in der Graf-Adolf-Straße. Es war eine Art Baumarkt, bei dem es alles für den Haushalt gab, zum Beispiel Beschläge, Nägel, Schrauben, Werkzeuge usw. Einer der Mitarbeiter war für das Geschäft immer mit dem besagten Auto unterwegs. Ich hatte damals aber nur 800 DM und erzählte einem Kollegen, mit dem ich auch privat verkehrte, dass ich für das Auto einen Kredit in Höhe von 200 DM aufnehmen muss, damit ich es sofort bar bezahlen konnte. Damals war es üblich, jahrelang zu warten, bis man ein Auto bekam. Wenn man dann die Gelegenheit hatte, so schnell ein Auto zu bekommen, war das sehr gut. Auf jeden Fall sagte der Kollege: „Warte, ich gebe dir 200 DM.“ Das habe ich ihm dann in ein paar Raten so schnell wie möglich zurückgezahlt.
Dieses Auto war ein Lloyd (2). An dem habe ich viel herumgebastelt, obwohl das eigentlich gar nicht nötig war. Gleich zu Anfang baute ich mit ihm einen Unfall. Ich hatte mir den ja gekauft, weil ich von Düsseldorf nach Duisburg musste, um an Lehrgängen teilzunehmen.
Und schon ein Unfall
Ich fuhr eines Tages bei Regen nach Duisburg. Der Lloyd hatte relativ schmale Reifen und ich blieb tatsächlich damit in der Straßenbahnschiene stecken, und zwar ganz tief drin und kam nicht wieder raus. Ich versuchte gegenzulenken. Und in dem Moment kam von hinten die Straßenbahn, die mich erst einmal anschob, so dass ich tatsächlich aus den Schienen herauskam, aber auf der anderen Straßenseite in zwei Autos hineinfuhr. Mein Wagen war rundum beschädigt.
Wieder wie neu
Die Reparatur wurde für einen Kasten Bier über Nacht bei mir in der Firma gemacht. Über die Arbeit hatte ich Kontakt zu verschiedenen Autoteilelieferfirmen, über die ich mir neue Scheinwerfer, Rückleuchten und Positionslampen kommen ließ.
In Lohausen gab es einen Mann, der eine Art Spritzkabine hatte und mehr oder weniger professionell Autos umspritzte. Bei dem habe ich mir den Lloyd dann später sogar in die neue Jahresfarbe des größeren Modells – das hieß Alexander – umspritzen lassen. Das war toll!
Dann habe ich mir auch die Innenverkleidung, den Himmel und das Schiebedach neu gemacht und die Sitze neu bezogen. Nun war bis auf das Armaturenbrett alles neu. Es war irre!
Mit dem Auto in den Urlaub
Der Lloyd hatte keine Kofferklappe, denn der Kofferraum befand sich hinter der Sitzbank. Um daran zu kommen, musste man die Rückenlehne umklappen. Trotzdem passte da ganz schön was rein, zum Beispiel das ganze Urlaubsgepäck inklusive Kinderwagen. Das war also toll.
Wir sind damit also auch in den Urlaub gefahren.
Hier machte das Selbstschrauben noch Spaß
Dieser Wagen fuhr Spitze 72 km/h, aber da musste man ihm schon gut zureden. Das war ein Zweitakter mit 14 PS. Dieses Auto war für mich ein wahrer Segen, allerdings auch eine Heulboje. Wenn ich mit dem zu Hause in die Straße fuhr, wusste meine Familie sofort, dass Vater kommt. Ich habe deshalb den kompletten Motorraum mit Dämmmatten ausgekleidet.
Danach war der Wagen zwar leise und schnurrte nur noch. Doch irgendwann lief der Motor nicht mehr so toll. Da las ich in der Zeitung ein Inserat, dass jemand für ein paar Mark ein ganzes Autovorderteil verkaufen wollte. Das war wie ein Fahrgestell, auf dem der Motor mit der Vorderachse und den Rädern drauf war.
Ich habe das gekauft und direkt auf der Straße ein paar Schrauben losgemacht, die Kabel gekappt und an meinen Lloyd geschraubt. Da war ich stolz!
Das war eine fast neue Maschine und nur wenig gelaufen. Damit war ich sogar zwei bis drei km/h schneller, aber das war nachher unerheblich.
Mit diesem Auto bin ich lange gefahren. Irgendwann hat es dann meine Frau verkauft, als ich nicht da war. Ich glaube, das war, als ich gerade zur Kur war. Renate hat den Wagen für das gleiche Geld verkauft, wie ich ihn damals gekauft hatte, denn der war jetzt natürlich ganz schön aufgemotzt. Die Sitzbezüge waren beispielsweise genau auf den Wagen angepasst. Trotzdem muss ich sagen, dass das Arbeiten unter dem Auto im Liegen nicht so mein Bier war.
Beim Lloyd und auch bei dem Auto, das ich danach hatte, habe ich das gemacht, danach aber nicht mehr. Dann hatte ich eigentlich nur noch neue Autos, was bedeutend angenehmer war. Ich hatte bis heute auch nie größere Probleme mit den Autos.
Schwarzer Mercedes
Nach dem Lloyd hatte ich mir einen alten schwarzen Mercedes gekauft. Damals gab es eigentlich nur schwarze Autos, aber meine Frau sagte trotzdem: „Komm aber nicht mit einem schwarzen Auto nach Hause!“
Natürlich kam ich mit einem schwarzen Auto wieder. Mein Schwager in Leipzig war allerdings Autolackierer und hat mir den Wagen dann privat lackiert. Ich besorgte dafür bei mir in der Firma Originalfarbe. Mein Schwiegervater riss außerdem in Leipzig auch noch einen Typ auf, der mir ein neues Schiebedach und einen neuen Himmel reinzog. Das lief natürlich alles „unter der Theke“, was hieß, ich musste dort nachts im Dunklen hinfahren.
Man konnte damals alles haben, musste nur Beziehungen und Geld haben. Ich bin also mit einem alten schwarzen Auto hingefahren und mit einem neuen grauen Wagen wiedergekommen. Das war Farbe Nummer 51, die erste, die Mercedes herausbrachte. Das war ein schönes helles Grau. Zum Teil war ich beim Lackieren sogar dabei. Durch meine Arbeit wusste ich ja, wie so etwas funktionierte.
Mir wurde im Vorfeld gesagt, dass ich viereinhalb Kilo Farbe mitbringen sollte. Das würde für ein Auto reichen. Ich habe damals sogar acht oder neun Kilo mitgenommen, aber nach ca. einem halben Jahr und nachdem ich den Wagen ein paar Mal gewaschen hatte, stellte ich fest, dass da gar keine Farbe mehr auf dem Auto war. Die Farbe musste man verdünnen, aber mein Schwager hatte sie offensichtlich so stark verdünnt, dass kaum was am Auto haften blieb. Mit der restlichen Farbe hat er sicher noch ein paar andere Autos gespritzt.
In der ehemaligen DDR bekam man für ein Kilo Farbe ja richtig Geld. Er hat mein Auto vielleicht mit eineinhalb oder höchstens zwei Kilo Farbe gespritzt und die anderen Kilos hat er verscheuert bzw. andere Autos damit lackiert. Da war ich ehrlich gesagt ein bisschen sauer.
Unbedingt Mercedes
Später, als wir umgezogen waren, musste ich dieses Auto verkaufen. Wir hatten ja nichts und brauchten Geld, um uns eine Wohnungseinrichtung kaufen zu können. Trotzdem brauchten wir aber ein Auto. Ein neues Auto kam nicht in Frage, denn die kosteten erstens zu viel Geld, und zweitens musste man sehr lange warten, bis man eins bekam.
Auf ein neues Auto von Mercedes musste man vier bis fünf Jahre oder sogar länger warten. Dadurch waren natürlich die Gebrauchtwagen und vor allem die Jahreswagen für Firmenangehörige unheimlich begehrt. Ich stellte dann auch einen Antrag auf einen Wagen, hatte aber Pech. Zwei Jahre vor Lieferung hat mich jemand gefragt: „Was ist denn nun mit deinem Auto?“ Da habe ich mich mal erkundigt und feststellen müssen, dass mein Antrag verschwunden war. Die hatten einfach keinen Antrag von mir bzw. der war nicht mehr vorhanden.
Ich musste also einen neuen Antrag stellen. Ich brauchte aber schnell ein Auto, so dass nur ein gebrauchter Mercedes in Frage kam.
Warum ich nun unbedingt einen Mercedes haben musste, weiß ich nicht. Wahrscheinlich, weil ich da etliches selber dran machen konnte und einfach einen Zugang dazu hatte.
Motor auseinander geflogen, Kupplung versagt
Ich habe mir dann von einem alten Mann einen Mercedes gekauft. Er hat mich aber nicht mal eine Probefahrt damit machen lassen, sondern hat mir selber vorgeführt, wie das Auto zu fahren sei. Damals hatten Autos noch eine Lenkradschaltung.
Dabei fand ich, dass dieser alte Mann unmöglich gefahren ist. Das Auto hatte ungefähr 48 PS, war also eine schwere Kiste und kein Rennauto und er hat schon bei 40 km/h in den vierten Gang geschaltet. Er konnte dieses Auto absolut nicht fahren. Trotzdem habe ich es genommen, weil ich mir sagte, dass ich es einfach ausfahre.
Es ist aber nicht lange gut gegangen. Nach zweieinhalb bis drei Jahren flog der Motor auseinander. Ich bin dann auch nur noch mit drei Pötten gefahren und musste immer mehr Öl auffüllen. Dieses Auto fraß unheimlich viel Öl. Auch die Türen sind schon auseinander gefallen, aber ich hatte damals kein Geld für teure Reparaturen, so dass ich den Innenraum einfach mit bestimmten Materialien ausgekleidet und geklebt habe.
Neue Reifen konnte ich mir auch nicht leisten, aber es gab in Lohausen ein Reifengeschäft, mit dessen Besitzer ich mich ganz gut verstand. Er hat die Reifen meines Mercedes ausgeschnitten, also das Profil mit einem bestimmten Gerät nachgeschnitten und dadurch tiefer gesetzt. Das war natürlich eine ganz schöne Arbeit, aber damals war das üblich. Wenn man mit diesen ausgeschnittenen Reifen über einen Stein fuhr, dann war der Reifen wieder platt. Das war dann nicht nur eine Kehrseite der Medaille.
Einmal habe ich zusammen mit meiner Mutter mit diesem Auto meinen Onkel in Lübeck besucht. Als ich in die Stadt fuhr, versagte die Kupplung. In dem Moment stand ein Polizist vor mir auf der Straße. Damals wurde der Straßenverkehr ja noch viel durch Polizisten statt mit Ampeln geregelt. Wegen des Polizisten musste ich nun halten, was aber nicht ging. Ich bekam ja keinen Gang mehr rein. Ich wusste damals nicht, dass man im zweiten oder dritten Gang anfahren und dann zurückschalten konnte.
Aber irgendwie bin ich dann doch bis zu meinem Onkel gekommen. Dem erzählte ich alles und er meinte: „Hier in der Nähe ist eine Tankstelle, wo es eine kleine Werkstatt gibt. Da fahren wir mal hin und nehmen dein Auto auf den Bock.“ Man konnte das Problem lösen, indem man da etwas mechanisch verstellte. Das wurde gemacht und alles war wieder in Ordnung.
Mit laufendem Motor zur Verwertung
Nach vier Jahren wollte dieses Auto aber kaum noch anspringen. Ich musste immer den Motor laufen lassen, weil ich ihn sonst nicht mehr ans Laufen gekriegt hätte. Ich bin dann zu einem Autoverwerter namens Bayer am Großmarkt gefahren.
Als ich dort ankam, habe ich den Motor natürlich auch laufen gelassen, damit er nichts von diesem Problem merkte. Er hätte das Auto ja nie wieder ans Laufen bekommen.
Ich fragte dann, wie viel ich für das Auto noch kriegen würde. Der Verkäufer hat mir 150 DM hingelegt, und ich bin damit ganz schnell abgehauen.
(1) Die Berliner Mauer ging in die Geschichte ein als Symbol des Kalten Krieges und der Teilung Deutschlands. Gebaut wurde die Berliner Mauer Anfang der 1960er Jahre, um den Flüchtlingsstrom vom Osten in den Westen zu stoppen.
(2) Lloyd ist der Markenname (…) der Lloyd Motoren Werke G.m.b.H., die am 2. Februar 1949 als Lloyd Maschinenfabrik G.m.b.H. gegründet wurde (…) Unter der traditionsreichen Bezeichnung Lloyd brachte die Lloyd Maschinenfabrik im Mai 1950 den Kleinwagen LP 300 auf den Markt, dessen Karosserie wegen der damals herrschenden Materialknappheit aus einem Holzgerippe mit Sperrholzbeplankung bestand, die mit Kunstleder (PVC auf Textilgrundlage) überzogen war. Wegen des Kunstleders wurde der Lloyd 300 scherzhaft „Leukoplastbomber“ genannt. Wenig schmeichelhaft war der Reim: „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd.“ Der kleine Wagen hatte einen Zentralrohrrahmen mit Querträgern und einer Bodenplatte aus Stahlblech, Radaufhängung an zwei Querblattfedern vorn, Pendelachse mit Längsblattfedern hinten, Zweizylindermotor und Frontantrieb. Der Motor war ein 300 cm³ großer und 10 PS starker Zweitakter …
Auszug aus „Ein Leben in Bewegung“, erzählt von Klaus-Dieter C., geschrieben von Alexandra P., Auszug von Barbara H.
Symbolfoto: bernswaelz/Pixabay
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