Pionierarbeit und Partyzeit: Erster Verein für Homosexuelle in Düsseldorf
Rolf K. wächst in Düsseldorf-Zoo auf und erlebt eine glückliche Kindheit. Doch schon in frühen Jahren muss Rolf und seine Familie sich in einer neuen Umgebung zurecht finden in der sie nicht willkommen geheißen werden – die Evakuierung im Zweiten Weltkrieg, bringt eine zweitweise Abwesenheit aus der geliebten Heimat mit sich.
Wir tun uns zusammen
1978 ein Jahr, das für mich etwas ganz Besonderes wurde. Ich gründete mit einigen Gleichgesinnten den ersten SCHWULEN- UND LESBEN VEREIN der Stadt Düsseldorf und war nicht nur Gründungsmitglied, sondern auch viele Jahre im Vorstand tätig. Damals ein echtes Novum und auch eine große Herausforderung. Es bedurfte schon eine ganze Menge Mut und auch Durchhaltevermögen, das Thema Homosexualität offen zu behandeln und vor allen Dingen in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir fühlten uns wie Pioniere und der Umgang mit dem Thema in der heutigen Zeit bestätigt dies auch.
Wenn es eine Polizeikontrolle in unserer Schwulenkneipe, dem Acapulco auf der Bismarckstraße, gab und wir uns nicht ausweisen konnten, mussten wir mit auf die Wache. Ein Anwalt, der zu uns gehörte, hat uns vertreten und wieder rausgehauen.
Wir waren es so satt. So haben wir uns mit fünf Leuten zusammengefunden und waren uns einig. Wir müssen was machen, die fressen uns auf. Wir hatten Räumlichkeiten, in denen wir uns trafen. Einmal gab es eine Lesung mit einem schwulen Schriftsteller, die ganz toll war und uns auch aufgebaut hat.
Etwa ein halbes Jahr haben wir uns da immer getroffen und dann ging einer von uns zur Stadt Düsseldorf. Der hat denen gesagt: „Wir sind 200 Leute, wir brauchen größere Räume, wir als Schwule und Lesben.“
Zu unserer großen Freude hat die Stadt zugestimmt und wir bekamen ein Ladenlokal ganz in der Nähe vom Oberbilker Markt. Das Gebäude stand zwar zum Abriss an, aber das dauerte noch ein bisschen, jedenfalls hatten wir da zunächst eine Bleibe. Unser erstes Standbein.
Zuspruch von unerwarteter Seite
Eines Tages, wir haben gerade Kaffee getrunken, ging auf einmal die Tür auf, eine ältere Dame trat ein, stellte sich als Frau K. vor und erklärte, dass ihr das Ladenlokal gehöre und was wir denn dort machten.
Wir haben sie aufgefordert sich zu setzen, boten ihr Kaffee und Kuchen an, was sie auch gerne annahm und haben ihr klipp und klar gesagt, wer wir sind. Sie lächelte und meinte: „Mein Sohn ist ja auch so, das finde ich toll, dass Sie das machen“. Komplimente über Komplimente und sie war uns gegenüber so positiv, weil ihr Sohn auch so war wie wir.
Nach ungefähr zwei Jahren mussten wir da raus, aber wir hatten schon neue Räumlichkeiten auf der Oberbilker Allee. Bei unserem Umzug kam die Polizei und stellte sich im Kreis an den Mauern auf. Einer von uns (ein junger Mann) stand auf, ging auf einen Polizisten zu und sagte: „Du bist aber hübsch“, das war der absolute Brecher. Alle lachten, wir auch, und der Bann war gebrochen.
Enttäuschung nach 30 Jahren
Das neue Haus war wesentlich größer, so dass später die Aidshilfe in die 1.Etage mit reingekommen ist, die erste Anlaufstelle der Aidshilfe überhaupt.
Wir haben dann Disco und Party gemacht, ein Café betrieben und alles Mögliche. Zur Disco kamen Leute aus allen Richtungen wie Krefeld, Köln, Duisburg usw. zumal wir eine Frau unter uns hatten, die so tolle Musik machte und dafür Standing Ovation bekam.
Nach 30 Jahren ging das zu Ende und wir bekamen die Kündigung, auch weil es den Nachbarn nicht passte. Es gab zwar einen Prozess, aber es nutzte nichts. Wir waren ziemlich enttäuscht, sind dann nochmals umgezogen in ein bestehendes Restaurant in Lierenfeld. Allerdings war die Umgebung nicht besonders schön. Es war umständlich dahin zu gelangen, im Gegensatz zur Oberbilker Allee, die sehr zentral lag. Ich habe dann meinen Abschied genommen und es gab mir zu Ehren eine Fete.
Ich hatte mich jahrelang engagiert und die Zeit war einfach gekommen, „meinen Hut“ zu nehmen. Ich war nicht nur Gründungsmitglied, sondern zuletzt auch Geschäftsführer gewesen.
30 Jahre sind genug, es tat mir zwar in der Seele weh, aber ich hatte auch keine Lust mehr.
Wilde Zeiten, nicht nur in Düsseldorf
Eine Freundin von mir, die auch gleichzeitig meine Nachbarin auf der Jahnstraße war, kannte in München unheimlich viele Leute. Mit ihr bin ich dann dort mal hingefahren und habe die Schwulenszene im Glockenbachviertel sehr intensiv kennengelernt, kurz, ich habe nichts anbrennen lassen, wie es so schön heißt. Die Szene in München hat mir gefallen, die waren eine eingeschworene Gemeinschaft und hielten zusammen. Das war in Düsseldorf nicht so.
Obwohl, was mir in sehr guter Erinnerung geblieben ist, ist das Kreuzherreneck in der Altstadt. Die Künstler von der Akademie waren da, der Anatol und der Leiter der Kunstakademie, Joseph Beuys. Letzterer hatte einen Riesenkrach mit dem Politiker Johannes Rau, die hatten heftig gestritten und sich überworfen.
Es gab gute Musik; das war schön, das war irre. Und überhaupt, die Musik hatte einen sehr hohen Stellenwert. Sonntags morgens legte die Frau vom Bobby, dem Inhaber der Kneipe, Schallplatten mit klassischer Musik auf, das war richtig toll. Zu Karneval liefen keine Karnevalslieder während der Zug vorbeizog, sondern wir hatten unsere eigene Musik.
(Un)freiwilliger Striptease im Kreuzherreneck
Der Discjockey Luky, leider schon verstorben, fuhr mit dem Aufzug in den Keller, kam wieder hoch auf einem Fass Bier sitzend und machte einen Strip. Er war nicht schwul aber seine Begeisterung hatte ihn mitgerissen. Er wurde bei seinem Strip von einem Vertreter der Firma S. (die mit der schwarzen Rose auf dem Hemd) unterstützt. Der Angestellte einer Werbeagentur regte sich so über die angebliche Negativwerbung für das von ihm beworbene Produkt (Hemd mit schwarzer Rose) auf, dass er dem armen Luky das Hemd vom Leib gerissen hat, so unverschämt war der.
Eines Tages kam ein „Mann von Welt“ in Begleitung von drei Frauen ins Kreuzherreneck (Foto oben, 2023), stiff und stads gekleidet und wir alle im Pullover und Hemd. Obwohl, sonntags lief man mit Schlips rum, das war damals so üblich. Jetzt kam der Typ rein, sämtliche Gespräche wurden gestoppt, denn der passte mit den Frauen überhaupt nicht rein.
Die Tafel mit dem Getränkeangebot war vollgeschrieben und die neuen Gäste wollten Aufgesetzten trinken. Jetzt muss man wissen, es gab zwei Sorten von Aufgesetzten mit Ingwer und Schnaps. Die eine Flasche lagerte höchstens ein paar Monate und die gefährliche brütete schon ein Jahr lang. Auf Anfrage des Kellners, welcher es denn sein sollte, wurde natürlich der alte bestellt. Jeder von den Anwesenden wusste wie der schmeckt und wie der reinhaut.
Der „ganze Kerl“ schluckte den Schnaps in einem runter und bekam Schnappatmung. Die Damen nippten, hüstelten und wollten auch nicht zu Ende trinken. Die Spannung war geladen, es dauerte nicht lange, dann verließ die Gruppe das Lokal wieder.
Als die Türe von außen zugemacht wurde, brach die ganze Kneipe in schallendes Gelächter aus. Das waren schöne Zeiten, es waren immer dieselben Leute zusammen.
Pendeln zwischen zwei Leben
Dann gab es noch das Acapulco, eine Schwulenkneipe auf der Bismarckstraße. Zuerst war ich mit ein paar Freunden im „Café Rosa Mond“ bin allerdings beizeiten wieder gegangen und schnurstracks ins Acapulco, wo ich mein wahres Leben gezeigt habe.
Wenn ich so nachdenke, habe ich mich bei allen Leuten wohlgefühlt, also in beiden Leben. In meinem Leben als Homosexueller, als auch in einem Leben, in denen Frauen eine Rolle spielten. Ich habe mich ganz natürlich gezeigt und hatte auch ein paar Frauen ab und zu, weil es so ein Gruppenzwang war. Also eine Frau musst du haben, wenn du ein gewisses Alter hast. Ich wollte vermeiden, dass jemand auf die Idee kommen könnte, ich sei schwul. Ich fand das einen raffinierten Zug, was ich im Einzelnen machte, ging niemanden etwas an.
Dann stand ich an der Theke und wusste nichts mit mir anzufangen. In der Ecke saßen 7-8 Leute, schon hoch die Tassen und irgendwann saß ich an dem Tisch und es wurden wunderbare Stunden, die mir unvergesslich sind.
Ich habe heute eine gewisse Distanz geschaffen, mit dem Alter lernt man das. Ich habe auch keinen Bock mehr, in die alten Kneipen zu gehen.
Auszug aus „Mein Leben bunt wie ein Regenbogen“, erzählt von Rolf K.. aufgeschrieben und bearbeitet von Lissy M. (2022)
Fotos: privat / kurious/Pixabay
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