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"Meine Reisen, meine Freunde"

Zufall und Unternehmungsgeist haben Madeleine, geb. 1942 in Belgien, an viele Orte der Welt geführt, die durch Veränderungen der politischen Umstände, der Umwelt, der Familie und der Liebe inzwischen einen großen Wandel erfahren haben. Nach dem Leben im Kongo, der Ausbildung und Arbeit in Deutschland lernte sie Indien durch ihren Mann und und seine Familie kennen, reiste nach Amerika, Asien und Europa. Besonders die Freunde sind ihr wichtig.


Foto: ExplorerBob/Pixabay


Meine Freunde

Die Zeit hat mir viele Freunde geschenkt, von denen ich erzählen möchte:


Erika

Ganz wichtig ist mir meine ungarisch jüdische Freundin Erika aus Budapest, die ich in der Schule in Düsseldorf, an der ich damals Französisch unterrichtete, kennengelernt habe. Wir wurden ganz feste Freundinnen, obwohl sie wesentlich jünger war als ich, es schien keine Rolle zu spielen, wir verstanden uns quasi in jedem Bereich sehr gut. Durch sie lernte ich auch das Leben unter Juden besser kennen und ging in die Synagoge, was für mich eine ganz neue Erfahrung war.

Nach ein paar Jahren zog sie nach London. Ihr Vater, der Geschäftsmann war, hatte für sie eine Stelle gefunden. Ich besuchte sie zwei bis drei Mal. Wir hatten viel Spaß, sie besaß ein kleines Auto und wir fuhren wie die „Irren“ durch London. Kurze Zeit darauf traf sie Martin, einen Engländer, der ihr Ehemann wurde und mit dem sie 25 Jahre glücklich verheiratet war.

Sie zogen nach Cornwall, wo mein Sohn und ich sie in den Osterferien 1993 besuchten. Cornwall ist wunderschön und bekannt durch die verfilmten Romane von Rosamunde Pilcher. Bei schönem Wetter denkt man, man wäre irgendwo im Süden. Die Vegetation ist üppig, alles ist grün, die Gärten sind voller wunderschöner Blumen aller Arten, es ist ein Geschenk für die Augen. Wir spazierten durch viele kleinen Orte mit hübschen Gassen, wo alle paar Meter ein gemütlicher "Pub" oder "Coffee Shop" zu einer Pause einlud. Überall konnte man köstliche Süßigkeiten verschlingen.

Natürlich waren wir am Meer, aber Interesse am Schwimmen hatte ich dort nicht, denn das Wasser ist nie warm. Für Surfer spielt das keine Rolle und für die mutigen Engländer, die nie zu frieren scheinen, offenbar auch nicht. Irgendwann verließen die Beiden England, um mit einem Katamaran durch das Mittelmeer zu segeln.


Nach einigen Jahren starb Erikas Mutter und sie kaufte sich ein Haus in Ungarn. Leider starb ein Jahr später unerwartet auch ihr Mann. Ein Schlag für meine Freundin, die ich so rasch wie möglich in Budapest besuchte. Eine Zeitlang blieb ich bei ihr und sie zeigte mir, trotz ihrer großen Traurigkeit, ihre wunderbare Stadt und die Umgebung von Budapest. Heute ist sie wieder glücklich verheiratet mit einem sehr sympathischen Mann, ein ungarischer Jude, namens Tamás, durch den sie eine neue Familie gefunden hat. Sie reisen viel, gleichzeitig hat sie den Kontakt zur Familie ihres ersten Mannes beibehalten und fliegt hin und wieder nach England, um sie zu besuchen. Beide sind oft in Spanien und im Januar 2018 haben wir gemeinsam Sevilla und Cordoba und die wunderbare Umgebung bereist. Im Januar 2020 luden sie mich wieder nach Andalusien ein und ich bin ihnen dankbar für die liebevolle Pflege, die ich erhielt, als ich, anstatt wie geplant mit ihnen umherreisen zu können, mit einer schweren Erkältung den Urlaub auf dem Sofa verbringen musste.


Suzanne

Erwähnen möchte ich außerdem Suzanne aus der Schweiz, die kurz mit mir in der gleichen Firma arbeitete. Auch sie heiratete einen Engländer. Während meiner Zeit in England besuchte ich sie. Sie ist Mutter von drei wunderbaren Söhnen und seit kurzem Großmutter von einem kleinen Max.


Thérèse

Dann gibt es meine Freundin Thérèse aus Paris (auch aus der gleichen Firma), deren Vater, ein Spanier, während der Franco Diktatur aus Spanien nach Frankreich flüchtete. Thérèse ist ein herrliches Geschöpf und wir lachten viel zusammen. Sie bekam eine ganz süße Tina, die wir, mein Mann und ich, damals noch ohne Kind, sehr gerne hin und wieder für zwei bis drei Tage bei uns hatten, wenn Thérèse mit ihrem Mann kurz mal nach Istanbul oder sonst wohin verreiste.


Antoinette

Auch meine holländische Freundin Antoinette aus Düsseldorf ist mir erhalten geblieben - und das seit mindestens 45 Jahren! Sie und ihr Mann verbringen ebenfalls jedes Jahr den Winter in Spanien, im gleichen Ort wie ich, und dort treffen wir uns oft.


Eine sehr gute deutsche Freundin ist absolut frankophil. Sie liebt Frankreich. Sie hat in Clermont-Ferrand studiert und unterrichtet hier junge Leute, die Romanistik studiert haben, um sie auf den Schulunterricht vorzubereiten. Aber obwohl sie Frankreich so liebt, ist sie nicht dort geblieben – „Warum?“ fragte ich sie. Sie antwortete: „Wegen der Karriere“. Ich konnte es kaum fassen und musste viel darüber nachdenken.


Bei meiner Liebe zu Spanien war und ist es anders: schon als kleines Kind träumte ich von Spanien, obwohl ich gar nicht viel darüber wusste. Als ich dann endlich nach Spanien kam, habe ich mich sofort in das Land verliebt. Wahrscheinlich erinnern mich die Wärme und die Farben an meine Kindheit in Afrika. Ich liebe spanische Musik, besonders spanische Gitarre. Flamenco werde ich wohl nicht mehr tanzen lernen – obwohl, warum nicht? Aber es ist nicht nur das Temperament, sondern vor allem die Zärtlichkeit, die die Spanier verbreiten, die Offenheit, die Herzlichkeit, die Umarmungen, die Leichtigkeit, die ich besonders mag. Das entspricht meinem Naturell.


Angel

Angel und seine Frau habe ich kennengelernt, als ich mich eines Abends verlaufen hatte und er mir half, den Weg zu meinem Hotel zu finden. Jahre ist das her und jetzt haben sie mich zu sich nach Hause nach Galizien eingeladen. Dabei kennen sie mich kaum, nur aus den jährlichen Weihnachtsgrüßen und einigen wenigen Telefonaten. In Spanien kann man wildfremde Menschen kennenlernen, mit Ihnen über Gott und die Welt philosophieren und zum Schluss wird man zu einem Glas eingeladen und bekommt noch das Buch geschenkt, über das man sich unterhalten hat. Diese Kontaktfreudigkeit und Spontanität finde ich faszinierend und bewundernswert.


Herzlichkeit begegnet mir natürlich auch hier in Düsseldorf, aber vielleicht eher mit Menschen, die die italienische, französische oder spanische Mentalität kennen. Ich vermisse mein spanisches Leben. Andererseits könnte ich es nicht über mich bringen, alles hier aufzugeben und dort zu leben, schon gar nicht allein. Es ist einfacher, jemanden an seiner Seite zu haben. Außerdem hätte ich das Gefühl, meinen Sohn irgendwie im Stich zu lassen. Ich bin eine Mutter, ich wäre mit mir nicht im Reinen.


Man fragt sich oft, oh Gott, wo ist die Zeit geblieben? Meine Zeit ist die Zeit von Elvis Presley, Joan Baez, Donavan, The Beatles, James Dean, Barbra Streisand, Marilyn etc., genauso gern höre ich die jungen Sänger/-innen von heute, ohne Musik kann ich nicht leben! Radio anschalten ist das erste, was ich mache, wenn ich aufstehe.


Wir sind alle „Senioren“ geworden, manche meiner Freunde sind sogar bereits Großeltern von erwachsenen Kindern, die hier und dort studieren, kaum zu fassen, dass ich diese Kinder als Baby auf dem Arm getragen habe - und zum Teil auch bereits deren Eltern... Mit meiner ungarischen Freundin Erika im Januar 2020 in Andalusien und Málaga.


Vergesst nicht, zu reisen...

Orte, an die ich mich immer gerne erinnern werde, sind insbesondere diese:


Mein Mann und ich besuchten das ehemalige Jugoslawien, u.a. Montenegro und das schöne Dubrovnik (heute eher etwas für die Hautevolee dieser Welt).


Vor 46 Jahren waren wir auf Mallorca, es gab kaum Touristen in der Zeit, dadurch konnten wir problemlos alle Ecken dieser wundervollen Insel entdecken.


Ich war auf Ischia mit ihrer großartigen Blumenpracht und den Thermalbädern überall, eine Insel, die leider auch sehr teuer ist. Malta ist nicht weniger eine Reise wert und mich faszinierte insbesondere auch die Sprache.


Auf Kreta hat es mir gut gefallen. Die Insel ist apart, beladen mit Geschichte und auch geographisch gesehen extrem interessant. Knossos muss man unbedingt besuchen, wenn man dort ist.


Ich habe auch Venedig, Budapest und das elegante, grandiose Wien kennengelernt, außerdem Paris, die Stadt der Liebe. Sie ist wundervoll - sollte man sie überhaupt erwähnen? Jeder will dort hin oder ist schon einmal oder mehrfach in Paris gewesen, im Musée du Louvre, jeder will dort „nur“ die Mona Lisa sehen. Mehr oder weniger... na ja, nicht nur, aber hauptsächlich und zumindest dann, wenn man nicht so viel Zeit hat...


Vor etwa 20 Jahren, 1996, nach der großen Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen, wurde auf dem Gelände ein großes Zelt aufgebaut, um einchecken zu können etc. Zu dieser Zeit hatte ich einen Flug nach Lissabon gebucht und lernte in diesem Zelt eine nette Dame kennen, die das gleiche Ziel hatte. Also flogen wir gemeinsam nach Lissabon. Rosemarie (so hieß die Dame) und ich endeckten mit viel Genuss diese wunderschöne Stadt, die mich schnell in ihren Bann zog. Die Menschen sind freundlich, das Essen ist herrlich, die Altstadt voller Atmosphäre und an jeder Ecke hört man den Fado. Es wird überall draußen gegrillt und es duftet köstlich! Wir fuhren auch nach Estoril, Cascais und Fatima, es gibt viel zu entdecken in diesem kleinen Land. Übrigens: Rosemarie treffe ich heute immer noch, wir sind gut befreundet und haben seitdem noch einige schöne kleine Reisen zusammen unternommen. So überraschend kann die Welt manchmal sein.


Meine Begeisterung für Portugal rührte wahrscheinlich zum Teil auch von unseren portugiesische Freunden in Afrika. Unter anderem korrespondierte ich lange mit einer portugiesischen Freundin, Isabel Adilia Pessoa Teles. Isabel lebte in Loanda, Angola, einem Nachbarland des Kongo und besuchte oft ihre Tante in Boma, über die ich sie damals kennengelernt hatte. Sie studierte Französisch an der Uni und wir führten einen Briefwechsel, der eine Art "Schulung" für uns beide war: ich bekam Hausaugaben auf Portugiesisch, die Isabel korrigierte und sie auf Französisch - so ging hin und her zwischen uns, was bedeutet, dass ich schon gewisse Kontakte zu den Leuten und zu der Sprache hatte. Damals fing ich auch an, mich für den Fado zu interessieren, ich fand diese melancholische Musik wunderbar und liebe sie heute noch.


Last but not least: es gibt noch eine tolle Reise zu erwähnen: die Fahrt auf dem „Canal du Midi“ in Süd-Frankreich. Zwei Wochen lang auf einem Boot und 52 Schleusen passiert! Ziemlich harte Arbeit, ich verlor zwei Kilo aber es war herrlich. Pierre-Paul Riquet war das hinter dem Bau des Kanals und seinen Schleusen stehende Genie, insbesondere des Meisterwerks der 7 aneinander gekoppelten Schleusen. Leider konnte er selber sein monumentales Wunderwerk nicht mehr erleben, denn er verstarb 6 Monate vor Eröffnung. Aber wir konnten es! Wir waren drei Frauen am Bord und jeden Tag haben wir einen anderen Ort besichtigt, z. B. Carcassonne mit seinem wunderschönen Friedhof. In Okzitanien entdeckt man die schönsten Dörfer des Landes, die Region ist von den Spuren der Katharer beeinflusst, eine solche Reise ist zwar mühsam aber absolut empfehlenswert.


Von Deutschland kenne ich München, Hamburg, Freiburg, Heidelberg, Dresden etc. und das Sauerland, auch eine Ecke für sich, dort war ich eine Woche und es hat mir gut gefallen.


Rund um Düsseldorf habe ich selbstverständlich viele Städtchen und Örtchen gesehen, die oft einmalig schön sind, allerdings hat es mich einige Mühe gekostet, sie zu finden. Da kaum ein Mensch über die touristischen Attraktionen der heimatlichen Umgebung spricht, muss man selber Initiative entwickeln. Hierbei hat mein Sohn mir sehr geholfen: er ist ein echter Entdecker und sucht sich immer neue Ecken hier und da, sei es auch nur, um zu angeln.


Mittlerweile lebe ich schon sehr lange in Düsseldorf. Die Stadt ist mein „Zuhause“ geworden.


Foto: Barbara H.


Ich fühle mich hier wohl, auch wenn gewisse Eigenarten der Mentalität mir immer noch fremd erscheinen. Es ist die Stadt meines Sohnes, der hier geboren wurde, zur Schule gegangen ist, immer hier gelebt hat und Düsseldorf-Bilk liebt. Er ist ein „Bilker Jung“, wie er selbst sich nennt. Auch wenn er fließend Französisch spricht: seine Muttersprache ist Deutsch und Deutschland ist seine Heimat.


Foto: Barbara H.


Die französische Sprache ist meine Heimat und daran kann sich nichts ändern. Ich kam als erwachsene Person nach Deutschland und musste Deutsch erst Wort für Wort lernen...

Mein Herz gehört ein wenig überall dorthin, wo ich gelebt habe und wo ich mich wohl gefühlt habe. Düsseldorf gehört selbstverständlich auch dazu. Hier habe ich damals Freunde gefunden, auch wenn heute (meistens aus Altersgründen) nur noch wenige von ihnen um mich sind. Düsseldorf hat eine gewisse Gemütlichkeit und die Menschen hier sind durch die geographische Nähe zu ihren Nachbarländern offen und unvoreingenommen, sie hegen eine große Sympathie den Franzosen und Belgiern gegenüber.

Düsseldorf ist mein „Zuhause“, meine „Heimat“ aber ist gerade da, wo ich mich glücklich fühle.


Adieu, vergessen Sie nicht das Leben zu genießen, es lohnt sich... und vergessen Sie bitte nicht, ein wenig zu verreisen, wenn Sie die Möglichkeit haben; lernen Sie andere Kulturen kennen, es wird Sie im Herzen reicher und wärmer machen.


Auszug aus „WAS, WO, WIE ich gelebt habe …", erzählt von Madeleine B., aufgeschrieben von Madeleine B. und Anne P. (2020), bearbeitet von Barbara H. (2024)


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