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Wachskerzen und Schokoladenkringel

Die Familie, das waren Klaus-Dieter, 1935 geboren, seine Eltern und seine beiden Schwestern. Sie wohnten in einer großen Leipziger Wohnung mit sechseinhalb Zimmern.

So schwärmt er vom Weihnachtsfest.


Der riesige Weihnachtsbaum

„Weihnachten wurde bei uns riesig gefeiert. Ein paar Tage vor dem Fest wurde immer ein Tannenbaum organisiert. Das wurde aber alles so lanciert, dass ich das nicht mitkriegte. Wir hatten eine Altbauwohnung mit hohen Decken, und der Tannenbaum ging vom Boden bis zur Decke. Er stand im Herrenzimmer, dem ersten großen Raum in der Wohnung.

Wie der Tannenbaum da hin kam, weiß ich nicht, denn das Herrenzimmer und die Verbindungstür zum Esszimmer wurden ein paar Tage vor Weihnachten für uns Kinder unzugänglich gemacht. Das Zimmer war dann abgeschlossen und somit tabu. Wir haben also nie mitbekommen, wie dieser riesige Baum in die dritte Etage hoch gekommen ist.

Die Erwachsenen haben sogar berücksichtigt, dass man auch nicht durch das Schlüsselloch gucken konnte.


Heiß auf die Bescherung

Heiligabend versammelte sich die Familie im Esszimmer und es wurde gegessen. Es gab irgendetwas Einfaches. Meine kleine Schwester hat im Nachhinein mal gesagt, dass es Kartoffelsalat mit Würstchen gab. Meine Mutter hat dann aufgepasst, dass wir richtig gegessen haben, damit wir später nicht so viel naschten. Wir hörten auch auf sie, denn wir waren ja viel zu heiß auf die Bescherung.

Alle waren aufgeregt, und ich muss sagen: zumindest für mich ging es dabei nicht um Geschenke, es ging um den Baum!

Zuerst wurden aber Lieder gesungen, und meine Schwestern mussten Gedichte aufsagen. Ich brauchte das noch nicht, war da wohl noch zu klein. Irgendwann ging dann die Tür zum Herrenzimmer auf, das war eine Flügeltür, und dann sah man schon, dass alle Kerzen auf (am) (dem) Weihnachtsbaum, der in der Ecke stand, brannten. Es war schon recht feierlich und bewegend muss ich sagen. Das wird mir nie aus dem Kopf gehen. Ich habe den Tannenbaum richtig verinnerlicht. Den habe ich also schon voll wahrgenommen als so kleines Kind. Das war toll!


Ich weiß gar nicht, wie viele Kerzen da drauf waren, ca. 100 bis 120 Kerzen. Das waren echte Kerzen, Wachskerzen. Heute schmücke ich bei uns den Tannenbaum auch immer noch so, aber der ist nicht so groß und da sind nur ungefähr 40 Kerzen drauf.

Auch heute gibt es aber bei uns nur echte Kerzen auf dem Weihnachtsbaum. Das hat meine Frau übernehmen müssen. Es war früher einfach so üblich. Der Baum war zudem voll mit Kugeln und damals gab es noch Lametta. Das wurde bei uns zu Hause einzeln aufgehangen. Einzeln! Unglaublich! Wie die das gemacht haben? Die müssen da doch fast einen Monat daran gearbeitet haben.

Außerdem hingen früher auch am Baum bunte Figuren, z.B. Pfauen und Trompeten aus Glas oder aus Blech. Das waren alles so tolle Sachen. Heute gibt es die sogar manchmal wieder, aber die sind gar nicht mehr bezahlbar. Das war ganz feines Zeug.

Was außerdem ganz wichtig war: bunte Schokoladenkringel am Baum! Die gab es in verschiedenen Formen und die hatten bunte Streusel drauf. Ich habe diese Schokoladenkringel geliebt, aber wir durften an die nicht ran. Die durften erst gegessen werden, wenn die gesamte Zeremonie zu Ende war.

Jeder hatte allerdings einen riesengroßen Teller mit Obst, z.B. Apfelsinen – wo auch immer die damals her kamen – und Keksen darauf. Der Teller wurde natürlich gleich als erstes überprüft. Es sollte aber nicht so viel genascht werden. Da hat meine Mutter schon aufgepasst, dass der Süßkram nicht so üppig war. Außerdem gab es Weihnachten auch Marzipanbrote.


Zur Zeremonie gehörten Geschenke

Für mich war es immer der Weihnachtsmann, der die Geschenke brachte. Ich weiß noch, einmal habe ich einen Kaufladen gekriegt, einen riesigen! Der war begehbar, also mit einer Hinterwand, seitlich schwenkbaren Türen und einem Vorderteil mit einem Thresen und zwei Schaukästen, in die man etwas rein tun konnte. Das waren richtig große, durchsichtige Kästen. Da passte ganz schön was rein. Ich weiß gar nicht, wie meine Eltern den hoch in die Wohnung gekriegt haben. Nachts wahrscheinlich oder wenn ich in der Schule war. Aber irgendwie haben die das schon hingekriegt.

Der Kaufladen stand dann im Herrenzimmer zwischen den Fenstern. Alle mussten dort bei mir mit echtem Geld einkaufen kommen. Hinterher musste das aber alles wieder abgeliefert werden.


Ein anderes Jahr bekam ich zu Weihnachten mal eine Eisenbahn. Die war lose und zum Aufziehen. Einen Blechzug hatte ich auch dazu. Das waren damals noch diese breiten Aluminiumschienen.


Ein Jahr nach dem Kaufladen bekam ich eine große Burg. Die bestand aus einer Armee, Wagen, Auffahrt und Klappbrücke. Irre! Ich konnte damit stundenlang spielen und mich beschäftigen.


Das war schon eine schöne Zeit, muss ich echt sagen. Wenn ich heute noch an Weihnachten denke, ist das ein sehr bewegendes Gefühl."


Auszug aus „Ein Leben in Bewegung“, erzählt von Klaus-Dieter C., aufgeschrieben von Alexandra P., bearbeitet on Barbara H.


Foto: Capri23auto / Pixabay

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