top of page

Aus Liebe den Job gekündigt

Rosa wurde 1929 geboren und wuchs in einer großen, ärmlichen Bauernfamilie in der Nähe des Bodensees auf. Nach der Schulzeit arbeitete sie einige Jahre lang in einer Zigarrenfabrik, um für den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu sorgen. Die Eintönigkeit ihrer Arbeit veranlasste sie, sich nach einer neuen Stelle und nach neuen Menschen umzusehen. Im November 1940 begann sie ihre Arbeit in der Wehrmachtskantine in Ludwigsburg.


Bald war ich über beide Ohren in ihn verliebt

Manches Vergnügen bereitete auch die Arbeit an der Theke. Viele Soldaten freuten sich, sich mit Mädchen unterhalten zu können. Nach einiger Zeit fiel mir auf, dass ein junger Soldat sehr oft bei mir ein Bier holen kam. Er nutzte auch jede weitere Gelegenheit, ein Schwätzchen zu halten. Langsam erkannte ich, dass er sich für mich interessierte. Ich bemerkte seine Blicke, und auch mein Blick huschte zu ihm herüber. Er gefiel mir und ganz vorsichtig näherten wir uns an. Werner, so hieß er, arbeitete auf einer Schreibstube. Es kam, wie es kommen musste: Er schaffte es, mir das Gefühl zu geben, dass ich die Einzige für ihn war. Bald war ich über beide Ohren in ihn verliebt.


Immer nur sonntags zwischen 14 und 17 Uhr

Wenn wir Zeit füreinander hatten, unterhielten wir uns und gingen spazieren. Leider war es immer nur sehr kurz, denn wir mussten beide viel arbeiten. Neben den Treffen in der Kantine war die einzige Möglichkeit unseres Zusammenseins mein freier Tag, und der war nur sonntags von 14 bis 17 Uhr.


Ein Blitz aus heiterem Himmel

Nach einiger Zeit bemerkte auch unsere Umwelt, wie es um uns beide stand. Mein Chef und meine Chefin waren darüber offenbar gar nicht erfreut. Aber in meiner Verliebtheit merkte ich nichts davon. Eines Tages baten sie mich mit ernster Miene zu einem Gespräch. Als ich ihre Gesichter sah, wurde es mir ängstlich zumute. Aber mit dem, was dann kam, hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Es traf mich wie der Blitz aus heiterem Himmel. “Rosa, das mit dem Werner gefällt uns nicht. Es ist nicht gut, wenn du mit jemandem befreundet bist, den du aus der Kantine kennst. Du musst ihn aufgeben!“


Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Werner aufgeben? Nie und nimmer! Widerstand regte sich. “Es sind deine Arbeitgeber“, schoss es mir durch den Sinn. "Du musst Rücksicht nehmen auf ihr Verlangen. Du willst doch nicht deine Stelle verlieren!“ Und so stimmte ich äußerlich zu. Aber ganz im Innern ließ ich mich nicht von Werner abbringen. Seine Art, sein Aussehen hatten es mir angetan. Ich konnte und wollte nicht ohne ihn sein. Ob er auch unter Druck gesetzt wurde, weiß ich nicht. Bei unserer nächsten Begegnung verabredeten Werner und ich, dass wir uns nun heimlich treffen würden.


Die Zukunft war ungewiss

Weil wir nicht mehr in der Kantine miteinander reden konnten, wurde die Zeit, die wir füreinander hatten, sehr knapp. Aber wir ließen uns nicht trennen. Es war ein unerträglicher Zustand für uns Verliebte. Aber leider kam es noch schlimmer: 1943 kam Werner eines Tages total aufgeregt zu mir. Er war plötzlich nach Bremen abkommandiert worden. Wir verzweifelten, denn es war nichts dagegen zu machen. Wir wussten, dass uns die Trennung bevorstand.

„Ich bin sicher, dass die W.s (=meine Arbeitgeber) ihre Hände dabei im Spiel haben!“, stieß ich wütend hervor. Werner war derselben Meinung. Wie sollte das weitergehen? Werner in Norddeutschland und ich in Süddeutschland? So viele Kilometer zwischen uns.

Und es war Krieg! Die Zukunft war ungewiss. Würden wir uns je wiedersehen? Wir schworen uns, einander immer zu schreiben.


Diese Zeit ist mir unvergesslich in mein Gedächtnis eingegraben, denn es war die Zeit meiner ersten großen Liebe. Bald fuhr Werner fort und ich … ich blieb zurück.

Wenn ich den W.s begegnete, fühlte ich nur noch Hass in mir. “Die haben mein Glück zerstört! Die sind schuld an meinem Unglück! Wer weiß, wann und ob Werner und ich uns überhaupt wiedersehen!“

Ich hielt es nicht mehr aus und kündigte am 15. April 1943.

Frau W. gab mir zum Abschied noch ein Zeugnis. Sie ahnte nicht, weshalb ich fortging.



Auszug aus „Rück-Sicht – Mein Leben“, erzählt von Rosa, geschrieben von Christa A., Auszug verfasst von Marion PK


Foto: Dariusz Sankowski / Pixabay

Comments


bottom of page