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Das Geheimnis meiner Oma

Rolf K. wächst in Düsseldorf-Zoo auf und erlebt eine glückliche Kindheit. Doch schon in frühen Jahren muss Rolf und seine Familie sich in einer neuen Umgebung zurecht finden in der sie nicht willkommen geheißen werden – die Evakuierung im Zweiten Weltkrieg, bring eine zweitweise Abwesenheit aus der geliebten Heimat mit sich.


Nicht willkommen

Unsere Evakuierung nach Dörna, ein Dorf bei Mühlhausen in Thüringen, war kein großes Vergnügen. Wir kamen auf einen Bauernhof und waren dort mehr geduldet als willkommen.

Der Bauer mit seiner Familie musste uns gezwungenermaßen aufnehmen und seine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Wir wurden in einem kleinen Zimmer im oberen Stockwerk untergebracht und durften uns relativ frei bewegen.


Wenn allerdings vor dem Haus die Soldaten marschierten, entweder waren es Russen oder Polen, gingen wir in den Keller und verhielten uns mucksmäuschenstill. Wir schauten dann durch das Kellerfenster nach draußen und unmittelbar vor unseren Augen zog die Parade der Soldaten mit ihren schweren Stiefeln vorbei. Für mich unheimlich und angsteinflößend.


Später haben mir meine Eltern erzählt, dass die Menschen, die in dem Ort untergebracht waren, die Häuser verlassen mussten und im Rathaus „versammelt“ wurden. Während ihrer Abwesenheit haben sich dann Plünderer um das Hab und Gut der Leute „gekümmert“ und die Wohnungen auch teilweise verwüstet. Erst dann durften sie wieder zurück in ihre Wohnungen.

Eine langwierige Notunterkunft

Aber auch diese Zeit ging vorbei und wir kehrten unmittelbar nach Kriegsende zurück nach Düsseldorf. Gezwungenermaßen wurden wir zunächst bei meiner Großmutter väterlicherseits in Oberkassel untergebracht.

Was als Notlösung angedacht war, dauerte dann tatsächlich zehn Jahre. Es war sehr eng, zumal zwischenzeitlich mein Bruder Jürgen in Thüringen geboren worden war und sich die Familie vergrößert hatte.

Die Wohnung hatte eine große Küche, ein Wohn- und Schlafzimmer. Die Küche war das Refugium meiner Großmutter und durfte nur am Abend zum gemeinsamen Essen betreten werden. Auch das Schlafzimmer war für uns tabu, so dass sich unser Leben im Wohnzimmer abspielte.

In regelmäßigen Abständen bekam meine Großmutter Besuch von einem geheimnisvollen Mann, der mit einem langen, lederartigen (oder auch kautschukähnlichen) Mantel bekleidet war und sich sehr unauffällig verhielt.


Später konnte ich dem Geheimnis auf die Spur kommen.

Meine Oma war überzeugte Kommunistin und es handelte sich bei dem Mann um einen Genossen, der die Zeitung der Kommunistischen Partei Deutschland KPD (1) namens „Freiheit“ an die Mitglieder austrug.

Damals konnte ich noch nicht wissen, dass es in Kriegs- und Nachkriegszeiten sehr gefährlich war, ein Mitglied dieser Partei zu sein.

Rübenkraut selbst gemacht

Ein treuer Begleiter meiner Kindheit war nicht nur Kaffee-Ersatz von Lindes und CARO (ich bin bis heute ein überzeugter Kaffeetrinker und -genießer geblieben), sondern auch Rübenkraut, das in der heimischen Küche selbst hergestellt wurde. Dies war ein sehr zeitaufwendiger Vorgang, mein Vater schälte die Zuckerrüben und diese mussten dann sehr lange gekocht werden.


Einmal geschah es tatsächlich, dass durch den langen Kochvorgang in der Küche die Tapeten Bahn für Bahn an der Wand von oben herabfielen, sehr zum Kummer aller, ganz besonders aber meiner Oma, denn nun musste der Raum doch tatsächlich neu renoviert werden.

Damit etwas auf den Tisch kam hatte mein Vater einen großen Vogelkäfig gebaut und Federvieh gehalten, das später auf unseren Tellern landete.

Schulzeit in Düsseldorf

Von meiner Schulzeit in der Volksschule an der Lanker Straße in Oberkassel ist mir ein Erlebnis ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Ich hatte mich so aufgeregt, dass ein körperliches Unwohlsein die Folge war. Der Hergang war eigentlich ganz harmlos, eine Lehrerin aß während eines Diktates eine Apfelsine und allein dieser Anblick reichte aus, um bei mir ein unangenehmes Gefühl zu verursachen. Verrückt, aber tatsächlich passiert.

Besonders gefallen hat mir auch mein Einsatz als Schülerlotse, so mit Gürtel/Schärpe, Kelle, und Mütze. Diesen Dienst habe ich zusammen mit einem guten Freund sehr gern verrichtet. Dieser Freund spielte in meinem Leben eine sehr entscheidende Rolle, weil er mich in der Pubertät, also in meiner Findungsphase, beim Baden verführte und so den Grundstein für meine sexuelle Orientierung legte.

Auch diese Zeit bei meiner Großmutter endete und wir zogen nach Heerdt. Mein Vater, der nicht im Kriegseinsatz war, sondern Munition und Bomben an der Heimatfront herstellen musste, bekam eine Anstellung bei der Firma Ehrenreich, die nach dem Krieg Zulieferer von Zubehör für verschiedene Autohersteller wurde. Der Verdienst war nicht üppig, so dass es nur einmal in der Woche, sonntags, Fleisch gab und an den übrigen Tagen mal ‘ne Suppe, mal 'nen Eintopf.


Weihnachten war für meinen Vater ein besonderes Vergnügen. Laut meiner Mutter kaufte mein Vater nur krumme Bäume. „Der ist ja ganz schief“ war das Erste, was sie sagte, nachdem er sich abgeschleppt hatte. Er baute den Baum auf und nahm sich dann immer einen „Kleinen“. Und weil es ja dauert, bis ein Baum gerade und mit Kugeln, sowie Lametta geschmückt ist, war er danach richtig betrunken.


Er verstarb 1961 sehr früh an Nierenversagen. Mein Bruder blieb mit der Mutter zusammen und für mich begann die Zeit des Erwachsenwerdens.

20 Jahre jung bezog ich meine erste eigene Wohnung an der Jahnstraße. Ein tolles Gefühl und ich „markierte“ sofort mein Revier, indem ich in der ganzen Wohnung Kleidung verteilte. Sozusagen mein Protest gegen die Aufräumwut meiner Mutter, die nicht müde wurde, hinter meinem Bruder und mir herzuräumen, als wir noch zusammenlebten.

(1) KPD – Kommunistische Partei Deutschlands

Die KPD wurde 1918 gegründet und verfolgte das Ziel, den Kommunismus in Deutschland zu errichten.

Auszug aus „Mein Leben bunt wie ein Regenbogen“, erzählt von Rolf K.. aufgeschrieben und bearbeitet von Lissy M. (2022)

Foto: U.Leone/Pixabay


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