Schreiben lernen mit Schiefertafel und Ly-Feder
Miathe, geb.1928, verbrachte ihr ganzes Leben in der Altstadt von Düsseldorf. Ihre pragmatische und humorvolle Grundhaltung und ihr tief verwurzeltes Gottvertrauen halfen ihr, die vielfältigen Aufgaben als Ehefrau, Mutter und Geschäftsfrau zu bewältigen, auch in den Schrecken des Krieges. Ihr soziales Engagement auch außerhalb der Familie bewertete sie nie als eine besondere Lebensleistung.
Wir bezahlten Schulgeld
Meine Eltern hatten bewusst die katholische Schule der Ursulinen für mich ausgesucht, und nicht die städtische Grundschule. Das erlaubten sich damals nicht so viele Familien, weil der Besuch Schulgeld kostete; ich glaube 10 Mark pro Monat. Das war viel Geld.
Zuerst ging ich in die St. Angela Schule am Fürstenwall. Als ich im dritten Schuljahr war, wurde sie verstaatlicht, und dann besuchte ich die Schule an der Ritterstraße. Wir waren nur ca. 15 Kinder in der Klasse. Ich saß neben einer Schülerin, aber weil ich so viel schwatzte und Mater Salesia (damals wurden die Ordensschwestern mit ‘Mater‘ angesprochen) auf die Nerven ging, wurde ich oft an der Straftisch versetzt.
Unterricht war von 8 bis 12 oder 13 Uhr, auch samstags. In Deutsch haben wir viele Gedichte gelernt, Schönschreiben, Erzählen und Grammatik. In ‚Erzählen‘ hatte ich immer ‘sehr gut‘, weil ich so gern redete. Man erzählte, was passiert war, oder man musste eine Geschichte wiedergeben. Es gab auch Rechnen, Malen und Handarbeiten. Hier mussten wir Tafelläppchen stricken. Wir legten zwei aufeinander, 10 mal 10 cm groß, und befestigten sie mit einer gehäkelten Kordel.
Unsere Schreibgeräte
Zuerst schrieben wir auf einer Schiefertafel, mit einem Griffel. Danach mit einem Federhalter und der Ly-Feder – ich fand den Namen so nett! Diese Feder musste man in ein Tintenfass eintunken. Ab dem 3.Schuljahr hatten wir Schulhefte mit Löschblättern. Das waren Hefte mit 3 Linien; die gibt’s heute wohl nicht mehr.
Besuch der Höheren Schule
Für meine Eltern war es selbstverständlich, dass meine Schwester und ich zur weiterführenden Schule gehen sollten. Und es wurde über einen Beruf für uns nachgedacht. Meine Schwester hat sogar studiert und ist Ärztin geworden. 1938 sollte ich zur Ursulinenschule gehen. Da sie aber schon verstaatlicht war und meine Familie sehr gegen das Naziregime eingestellt war, besuchte ich die Marienbergschule in Neuss. Da waren auch keine Nonnen mehr, aber die Atmosphäre war noch christlicher als hier in Düsseldorf. Mir gefiel es da sehr gut. Ich fuhr mit dem Fahrrad nach Neuss, Und das bei Wind und Wetter, denn ich war damals sehr sportlich.
Kinderlandverschickung
1944 war für mich schon Schluss. Da gingen die Kinder in die Kinderlandverschickung (1), denn es war ja Krieg. Meine Mutter sagte: „Wir gehen nicht fort, wir wollen zusammen sterben!“ Das fand ich nicht so schön, denn ich wollte nicht ans Sterben denken.
Die Landfrauenschule
Von 1946 bis 1947 besuchte ich die Landfrauenschule in Geldern, ein Internat bei den Schwestern Unserer Lieben Frau. Es war mein eigener Wunsch und ich hatte eine sehr schöne Zeit dort, weil eine angenehme Atmosphäre herrschte. Gelernt habe ich Hauswirtschaft in Praxis und Theorie. Wir waren 120 Schülerinnen, aus den kleinsten bäuerlichen Verhältnissen bis zu ganz reichen. Aber das fiel nicht auf, weil Gleichheit herrschte. Wir trugen einheitliche Kleidung, die ‘Maidenkleider‘. Das war ein blau-weiß kariertes Kleid mit blauem Schlips und weißer Schürze. In der Freizeit trugen wir weiße Schlipse. Nur an den Schuhen konnte man erkennen, wer aus einem wohlhabenden Elternhaus kam. Es gingen auch einige Mädchen an diese Schule, weil es hier genug zu essen gab. In dieser Zeit fuhr ich nicht nur in den Ferien, sondern auch mal sonntags nach Hause, manchmal auch mit Mitschülerinnen. Es entwickelten sich nette Freundschaften, die bis ins hohe Alter anhalten.
Man konnte die Ausbildung bis zur landwirtschaftlichen Lehrerin machen, aber ich wollte nach Hause. Nach meinem Abschluss habe ich in unserem Geschäft gearbeitet, mit allen Höhen und Tiefen.
(1) Kinderlandverschickung: Die Bezeichnung K. (KLV) wurde vor dem Zweiten Weltkrieg ausschließlich für die Erholungsverschickung von Kindern verwendet. Durch das Hilfswerk Mutter und Kinder der Nationalsozialistischen Wohlfahrt (NSV) wurden solche K. zum Beispiel ab 1933 in Würzburg durchgeführt, wobei vor allem Kinder aus den Räumen Düsseldorf, Köln und Saarland nach Unterfranken kamen. Ab 1934 nahmen jährlich etwa 650.000 Kinder bis 14 Jahren daran teil.
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Auszug aus: Ein Leben in der Altstadt
erzählt von Miathe, geschrieben und Auszug verfasst von Marion PK
Foto: Darkmoon Art/Pixabay
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