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Besuch im Zoo: Mit den Tieren sprechen

Gerda K. wurde 1933 als drittes Kind geboren. Da waren ihre Geschwister schon elf und zwölf Jahre alt. Der Vater war Maschinenschlosser in der GEG-Seifenfabrik im Düsseldorfer Hafen und verdiente nicht viel Geld. In ihrem Geburtsjahr wurden Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt und der Reichstag durch Hindenburg aufgelöst.



Große Liebe

Ich hatte schon als Kind eine große Liebe, eine Leidenschaft: Der Düsseldorfer Zoo. Meine Familie wohnte ganz in der Nähe auf der Weseler Straße. Damals interessierte ich mich nicht für die Entstehung des Zoos. Ich wusste nicht, dass er aus dem Hühnerzüchterverein Fauna entstanden und 1876 eröffnet worden war. Ich erinnere mich nur, wie ich als kleines Mädchen allein zur Brehmstraße marschiert bin, die Jahreskarte von 6 Reichsmark (RM) um den Hals trug und sie fest mit meinem Fäustchen umklammernd zum Zooeingang ging, um meine Tiere zu besuchen.

Schon sehr bald begrüßten mich die Angestellten des Zoos freundlich, denn durch meine vielen Besuche war ich ihnen schnell bekannt. Ich brauchte meine Karte kaum noch vorzuweisen. Wann immer es mir meine Eltern erlaubten, eilte ich dorthin.

Papageien, Meerschweinchen und Pampashasen

Der Zoo war von einer hohen Mauer umgeben, hatte drei Eingänge, von denen ich meistens den Haupteingang am Brehmplatz benutzte. Gleich hinter dem Eingang stieß ich auf die große Kastanienallee, an deren Rand viele Papageien auf ihren Stangen saßen. Sie faszinierten mich sehr. In ihrem wunderbar bunten Gefieder begrüßten sie mich jedes Mal, wenn ich kam. Jeder von ihnen hatte einen Namen, leider kann ich mich aber nicht mehr daran erinnern. Sobald ich mich ihnen näherte, riefen sie mir etwas zu. Ich blieb bei ihnen stehen und erzählte ihnen, was ich in den letzten Tagen erlebt hatte. Mit ihren dunklen Augen blickten sie mich aufmerksam an und dann antworteten sie mir krächzend; manchmal waren sie sehr aufgeregt über das, was ich berichtete und flatterten heftig mit ihren Flügeln. Wir haben uns gut verstanden. Sie waren meine Freunde. Oft sah ich ihnen auch geduldig zu, bis sie ihr Futter aufgefressen hatten.

Unter den großen Kastanien ging ich weiter in den Zoopark hinein und eilte nach rechts zu meiner anderen Lieblingsstelle, den Bauten mit den Meerschweinchen. Auch dort vergaß ich die Zeit, fand ich es doch putzig, wie diese Tierchen in ihren Löchern verschwanden, um dann an anderer Stelle wieder aus der Erde aufzutauchen. Süß war es auch, wie sie mit ihren Zähnchen an den Möhren herum nagten. Aber das Größte war es, eins von ihnen aufzunehmen und streicheln zu dürfen.

Auch die Pampashasen hatten es mir angetan. Sie hoppelten über die großen Wiesen und waren so zutraulich, dass man sie streicheln und füttern konnte. Wie oft hockte ich vor ihnen und sah ihnen zu, wie sie ihre Näschen rümpften und eifrig das mitgebrachte Futter mümmelten.

Elefanten, Flusspferde, Ziegen und Gemsen

Schräg gegenüber an der Faunastraße stand das große Haus, in dem Elefanten und Flusspferde untergebracht waren. Manchmal machte der Elefant Kunststücke. Er drehte eine Drehorgel oder stieg über Flaschen, die aber nicht zerbrachen, wenn er darüber ging. Natürlich sagte ihm der Wärter, was er zu tun hatte.

Der eine Elefant liebte es, mit dem Schlauch abgespritzt zu werden. Auch ich fand das lustig, stellte ich mir doch vor, meine Mutter würde das bei uns Kindern auch so machen. Der Zwergelefant hatte es mir besonders angetan. Ich stellte mir vor, ich würde auf ihm die Weseler Straße entlang reiten und alle Leute würden bewundernd zu mir aufsehen.

Dann riss ich mich langsam los und marschierte mit kleinen festen Schritten auf dem Weg, der zwischen den beiden Seen zum Berg mit der Ruine (1) führte. Wie gerne wäre ich dort oben auf den Turm gestiegen und hätte liebend gern über den Zoo hinweg geblickt, aber das durfte ich leider nicht.

Robben und Seelöwen

Ich erfreute mich an den lustigen Sprüngen der Ziegen und Gemsen, manchmal ließen sie sich auch streicheln. Die Tierpfleger schienen etwas zu suchen. Ich wurde neugierig und lief hinter einem der Wärter in seiner schmucken Uniform her.

„Hast du sie gesehen?“ rief dieser einem anderen Wärter zu. Der schüttelte verneinend den Kopf und beide hasteten suchend weiter.

„Wen sucht ihr?“ fragte ich einen dritten Wärter. „Die Robben und Seelöwen sind aus ihrem Becken verschwunden!“ antwortete er mir im Laufen. Ich stolperte hinter ihm her den Berg hinunter. Plötzlich stockte der Wärter. Er traute seinen Augen nicht. Vor ihm in der Düssel plantschten und tauchten die Robben, als wäre nichts Besonderes geschehen. Ich verstand die ganze Aufregung nicht. Ob die Robben und Seelöwen nun in ihrem Becken oder in der Düssel badeten, war doch egal. Wahrscheinlich fanden sie die Düssel viel besser. Zumindest hätte ich das als Robbe empfunden.

Biergarten, Konzertmuschel und Spielplatz

Die Zoogaststätte, die links vom Eisstadion und am vorderen Weiher lag, und den riesigen Biergarten beachtete ich nicht, hatte ich doch kein Geld, mich dahin zu setzen. So entging mir als Kind damals auch der große Saal der Gaststätte, in dem manche Feier stattfand. An schönen Tagen war es dort brechend voll.

Das interessierte mich aber auch nicht, sondern ich eilte dem Klang der Musik nach. Bald schon sah ich die große Konzertmuschel, die am Rande des vorderen Weihers stand. Ich zwängte mich durch die Menschen, stellte mich vor das Podium und lauschte dem Orchester. Die Trompeten und Posaunen imponierten mir damals am meisten, da sie so schön laut waren.

Danach ging ich meistens zu dem Spielplatz und schaute den großen Kindern bewundernd zu, wie sie sich trauten, die wirklich große Rutsche herunter zu rutschen. Ich selbst hatte zu viel Angst. Die Leitern waren mir zu hoch und zu steil. Aber in ein paar Jahren würde auch ich wie ein Blitz die Bahn herunter gleiten, dessen war ich mir ganz sicher.

Das Affenhaus und der Esel

An manchen Tagen machte mich der Wärter am Eingang darauf aufmerksam, dass es heute eine Vorstellung im Affenhaus gebe. Dann ging ich natürlich sofort zu den Affen, die in einem Haus in der Nähe des Elefantenhauses untergebracht waren.

Normalerweise hielten die Affen und ich oft Zwiesprache und machten allerlei Faxen miteinander, aber an diesen Tagen blickte ich mit großen Augen auf Max, den Schimpansen, wie er seine Kunststücke vorführte. Der Wärter, der ihn an einer kurzen Kette herbeiführte, hielt ihm ein Fahrrädchen hin.

Max stieg auf und fuhr los. Er konnte sogar Kurven fahren. Wenn ich ihm so zuschaute, habe ich ihn damals beneidet, denn wie liebend gern hätte auch ich ein Fahrrad gehabt und wäre auf ihm durch die Gegend geflitzt. Aber das gab es natürlich in den Kriegsjahren nicht. Noch mehr habe ich Max bewundert, als er sich sogar anschließend in ein kleines Rhönrad stellte und dann mit ihm durch die Gegen rollte, ohne umzufallen! Es war herrlich! Ich habe viel gelacht.

Geliebt habe ich auch das Eselchen. Wie es dastand auf seinen Beinen, die Ohren gespitzt. Es war einfach süß! Manchmal rannte ich an seinem Geländer vorbei und es lief auf seinen staksigen Beinen neben mir her. Das war wunderbar! Gelegentlich durfte ich es auch streicheln. Dann fuhr ich mit meinen Händchen über sein weiches Fell. In den Momenten war ich glücklich und habe die Schrecken und die Last des Alltages total vergessen.

Das Ende des Zoos

Zum Glück habe ich das Ende meines geliebten Zoos nicht mitbekommen. Ich war zu der Zeit in Roßwein zur Kinderlandverschickung, also so um 1943. Aber ich habe es mir erzählen lassen, wie es gewesen war.

Im August 1939 wurden die meisten der Tierpfleger zum Wehrdienst eingezogen, ebenso der Kraftfahrer mitsamt dem für den Transport so wichtigen Lastwagen. Es wurde immer schwieriger, genügend Futter für die Tiere zu beschaffen, besonders Südfrüchte, Heu und Stroh und die Futterfische. Als die ersten Bomben auf Düsseldorf gefallen waren wurde der Zoo geschlossen. Stattdessen sollten geeignete Luftschutzräume gebaut werden. Berlin forderte, dass der Zoo sich seiner gefährlichen und großen Tiere entäußern sollte.

So wurden Löwen, Tiger, Bären und andere Tiere „verpackt“, obwohl es sehr schwierig war, an Verpackungsmaterial und Transportmöglichkeiten zu kommen. Sie wurden zumeist in die Zoos von Hannover und Halle gebracht. Doch es wurde auch erzählt, dass viele Tiere erschossen in ihren Käfigen gefunden worden waren. Der damalige Zoodirektor Dr. R. Weber bangte um seinen Zoo und die Tiere. Bomben fielen und trafen immer wieder den Zoo und zerstörte Tiere, Tierhäuser, Wege und Bäume. Mit der Zeit wurden alle Tiere, die überlebt hatten, nach Wuppertal und in andere Zoos überführt. Ob sie da eine neue Heimat gefunden haben oder ob sie zur Stillung des unermesslichen Hungers der Menschen in der Nachkriegszeit gedient haben, ist im Einzelnen nicht festgehalten worden.

Ich bedauere es sehr, dass der Zoo nach dem Krieg nicht mehr aufgebaut wurde. So viele schöne Erlebnisse waren mit ihm aus meiner Kindheit verknüpft. Wenn ich heute durch den Eingang des Zooparks am Brehmplatz gehe, dann steigt mir noch der damalige Duft der Bouillon, die es am Büdchen gab, in die Nase. Wie oft sind wir nach der Schule dort hingeeilt, um sie voller Genuss zu trinken. Ich höre noch das Geschrei der Papageien und das leise Quieken der Meerschweinchen.


Gehe ich heutzutage den Hügel an der Ecke Mathilden- und Faunastraße hoch, dann spüre ich unter meinen Füßen wieder das Entsetzen des Krieges. Wie viele Trümmer, wie viel Schutt der zerstörten Tierhäuser und wie viele Tierkadaver liegen dort unter der Erde, für immer vergraben.

(1) Hier handelte es sich um eine künstliche Burgruine, die 1877 als Aussichtsturm erbaut worden war.

Auszug aus „Meinem Leben auf der Spur“, erzählt von Gerda K., geschrieben von Christa A.(2010), bearbeitet von Barbara H.

Symbolfoto: M.Langthim/Pixabay

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